Kunst im Rathaus
Wechselnde Ausstellungen von Kunstschaffenden aus dem Gemeindegebiet laden ins Ameranger Rathaus ein.
2015-2025 - Angekommen
Die neue Ausstellung der „Kunst im Rathaus“ skizziert die Lebenswege geflüchteter Menschen im Landkreis Rosenheim. Im Herbst 2015 gründete sich in Amerang ein Helferkreis, nachdem sicher war, dass die Gemeinde etwa 100 Gef lüchtete aufnehmen würde. Familien und Einzelpersonen, Menschen aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, Albanien, Eritrea, Nigeria und anderen fernen Staaten.
Über ihr Engagement im Helferkreis lernten sich Regina Weiland und Katharina Herrmann kennen. Beide eint die große Neugierde und Offenheit, mit der sie Fremden begegnen. Von Anfang an dabei war auch die Kamera der Grafikerin Herrmann, wovon das Projekt „Angekommen“ heute profitiert. Gemeinsam haben die Frauen bereits 2016 das Buchprojekt „Cook - Talk - Eat“ realisiert, eine Dokumentation integrativen Kochabende im „Asylotel“, dem vormaligen Familotel Stein.
2025 beschäftigt Regina Weiland und Katharina Herrman die Frage, was aus den Geflüchteten von damals geworden ist. Der Großteil verließ die Gemeinde über kurz oder lang. Wie gestalten sie ihr Leben heute? Wurden sie heimisch? Fühlen sie sich in Deutschland „angekommen“? Auf der Suche nach Antworten stießen die beiden Frauen auf eine große Bereitschaft, Einblicke ins Private zu geben. So entstanden intime Porträts, die stellvertretend für die unterschiedlichen Lebenswege geflüchteter Menschen stehen können. Anas, 1988 in Syrien geboren, studierte Journalismus, bis ihn das Assad-Regime zur Flucht zwang. In Wasserburg ließ sich der junge Mann zum Altenpfleger ausbilden, später zum Krankenpfleger. In Amerang fand er seine Liebe, ist glücklicher Vater. Anas ist angekommen, auch wenn er gerne Journalist geworden wäre und sein Elternhaus vermisst.
Sahar war sieben, als sie im Herbst 2015 nach Amerang kam. Die Flucht der Familie aus Afghanistan beschreibt sie rückblickend als Reise „ohne Anfang und Ende“, die Ankunft „unwirklich, fremd, aber doch schön“. Heute lebt Sahar in Reitmehring, macht eine Ausbildung in einer Zahnarztpraxis und strebt die mittlere Reife an. Sie ist ein kluges, ernstes Mädchen. Als Afghanin ist sie nach den Terroranschlägen in Aschaffenburg und München vermehrt Fremdenhass ausgesetzt. Ihre Brüder Sinha und Mohsen geben sich deswegen sogar als Perser aus. Sie wolle jenen eine Stimme geben, die weniger privilegiert seien als sie und nicht für sich reden könnten, sagt die 17-Jährige auf der Ausstellungseröffnung im Rathaus, als sie nach der Begrüßung durch Bürgermeister Konrad Linner und den beiden Initiatorinnen das Wort erhält. Ihre tiefgründigen Gedanken zum Thema „Ankommen“ berühren.
„Meine Heimat Afghanistan kenne ich nur aus Erzählungen“, sagt sie. „Sie ist für mich kein Ort, sondern eine Vorstellung - ein Gedanke, den ich nie mit Erinnerungen füllen kann.“ Aber vielleicht gehe es auch gar nicht um einen Ort, resümiert Sahar schließlich. „Vielleicht geht es darum, gesehen zu werden. Gehört zu werden. Vielleicht ist wahres Ankommen, wenn man nicht mehr zwischen zwei Welten gefangen ist, sondern als Mensch akzeptiert wird, ohne Vorurteile.“
Die Ausstellung wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung von Goerlich Pharma GmbH, welche die Kosten für das Papier und die Ausdrucke übernahm.
Die Ausstellung „Angekommen“ kann noch bis 31. August 2025 zu den Öffnungszeiten der Gemeinde besucht werden.
Eine Wanderausstellung ist in Planung.
Text/Bild: Angela Pillatzki
Generationenprojekt „Gemalte Gedanken“
Wie gewohnt steht auch in der aktuellen Ausstellung im Rathaus Amerang regionale Kunst im Mittelpunkt. Was die Schau dennoch ungewöhnlich macht, sind die Menschen hinter den Werken. Es sind zum einen Mädchen und Jungen der Grundschule Amerang, die ihre Gedanken ausdrucksstark auf die Leinwand gebannt haben. Zum anderen sind es die Bewohner der Seniorenresidenz Amerang, an welche die farbstarken Werke ursprünglich adressiert waren.
Bevor sie ins Rathaus kamen, zierten die Gemälde als Teil eines Generationenprojekts mit der Grundschule Amerang die Flure des Altenheims. Dort riefen die „gemalten Gedanken“ aus Acryl neue Gedanken hervor, wie zum Beispiel „Wenn ich durch den Flur gehe, erinnert mich das an meine eigene Schulzeit“ oder „Die Bilder geben mir das Gefühl, dass unsere Generation nicht vergessen wird“. In der „Kunst im Rathaus“ finden Zitate und Bilder nun zusammen.
„Was ist das?“
Gleich am Treppenaufgang begrüßt ein mysteriöses blau-schwarzes Gemälde die Besucher. „Was ist das?“ steht auf dem Zettel an der Staffelei, auf einem weiteren die Zahl 27. Die Ausstellung ist interaktiv – Mittun ist erwünscht. Was ist das also auf dem Bild? Ein Gesicht? Ein tanzender Elefant? Blinzelnd stehen wir vor dem Gemälde und überlegen. Unsere Gedanken schreiben wir auf einen Zettel, versehen ihn mit der Zahl 27 und legen ihn in eine bereitgestellte Box. So treffen die Gedanken der Kunstschaffenden auf ein Neues mit den Gedanken der Betrachtenden zusammen.
In die abstrakten Farbexperimente mischen sich mitunter auch dunkle, bedrohliche Nuancen. Düstere Gedanken. Besonders exemplarisch hierfür steht das Gemälde des neunjährigen Michael, das den Blick auch aufgrund seiner strudelartigen Anordnung in den Bann zieht. Es ist das Plakatmotiv der Ausstellung.
Die Bilder, die in der Ausstellung von lustigen Tier-Collagen aus dem Kunstunterricht und gekonnt kopierten Kunstklassikern vormaliger Jahrgänge ergänzt werden, sind noch bis 4. April im Rathaus Amerang zu sehen. Dann kehren sie zurück in die Seniorenresidenz.
Text/Bild: Angela Pillatzki
Das Handwerk ins rechte Licht gesetzt
Handwerk im Dorf - Fotografien von Christine Rußwurm, Justine Betzl, Silke Haase, Reinhard Feiler und Marion Kläber.
Seit 15. Oktober 2024 bieten großformatige Fotografien im Rathaus einen besonderen Einblick in die Welt des Handwerks. Der Idee von Justine Betzl folgend, wurden für die Ausstellung verschiedene Vertreterinnen und Vertreter des Handwerks im Gemeindegebiet porträtiert. Die Aufnahmen sollen die Vielfalt repräsentieren und dokumentieren, wie sich das Handwerk in den Alltag des Dorfes einfügt. Im Anschluss suchten die beteiligten Kunstschaffenden ein "Best of" aus. Fotografien, die die Seele des Handwerks und die Leidenschaft einfangen, mit der es ausgeübt wird.
Noch bis zum 31. Dezember 2024. Zu besichtigen während der Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung.
„Porträts“ von Gerti Berger
Die Protagonistinnen auf Gerti Bergers Ölgemälden ziehen mit ihren Blicken in den Bann, die fröhlich muhende Kuh ebenso wie die verführerische Maria Callas oder die jugendliche Pippi. Stahlende blaue Augen, treffen auf leuchtend rotes Haar, ein blauer Himmel auf grünes Gras – Komplementärfarben in Reinkultur. Die Kunst Gerti Bergers kommt leichtfüßig daher. Unzählige dünne Lasuren, Schicht auf Schicht mit Bedacht aufgetragen, gehen dem fertigen Werk freilich voraus. Mit wohl gesetzten Worten zeichnete Laudator Johannes Lautenschlager am Eröffnungsabend der Ausstellung „Porträts“ den Werdegang der Künstlerin nach: die frühe Leidenschaft für die Malerei, von der eine Serie von Aquarellzeichnungen in der Ausstellung zeugt, die Kopfentscheidung, „was gescheites“ zu lernen, nämlich Industriekauffrau, der Jahrzehnte währende innere Konflikt zwischen dem ausgeübten Beruf und „ihrer Malerei“. 2016 legte die Amerangerin schließlich die Weichen um: Sie meldete sich in Kolbermoor an der Akademie der Bildenden Künste an und studierte drei Jahre lang, berufsbegleitend, Kunst und Malerei. Ein Schwerpunkt in der Ausbildung lag in der Technik der alten Meister. Gerti Berger begeisterte sich für das Licht- und Schattenspiel in den Gemälden Rembrandts, Vermeers oder Renoirs und setzte sich intensiv mit Technik und Bildaufbau ihrer Vorbilder auseinander. So kam sie zur Ölmalerei und entwickelte eine Vorliebe für Porträts. „Wenn ein Bild entsteht, wächst gleichsam eine Beziehung zwischen ihr und dem Porträtierten“, kommentierte Lautenschlager. „Jeder Pinselstrich, auch wenn er noch so fein ist, steht für etwas, was gesagt, ausgedrückt werden soll. Jede Schattierung hat ihre ganz eigene, persönliche Bedeutung.“
2020 kehrte Gerti Berger ihrer Arbeit bei Meggle nach über 40 Jahren den Rücken und widmet sich seither ausschließlich der Malerei. Die Ausstellung im Rahmen der „Kunst im Rathaus“ ist ihre erste Ausstellung als freischaffende Künstlerin.
Die Werke können noch bis zum 6. September 2024 zu den Öffnungszeiten der Gemeinde Amerang betrachtet werden.